Grußworte

... was Du nicht siehst

Das, was Aufmerksamkeit findet, beleuchtet, erfüllt. Auch was wir nicht sehen oder sehen wollen, entfaltet Aussagekraft über einen selbst. Dein Auge ist das Licht des Leibes, sagt der Apostel Paulus. Kopf und Herz, Vernunft und Gefühle gleichen einer Dunkelkammer, in der man deutliche, lebensdienliche Bilder belichtet und entwickelt, Bilder der eigenen Existenz, Bilder der Mitwelt.

Wenn Bilder in einem unterbelichtet, dunkel bleiben, dann tut man sich schwer. Wir brauchen echte Leit-Bilder, auch von der Kunst. Kafka schreibt: „Mit stärkstem Licht kann man die Welt auflösen. Vor schwachen Augen wird sie fest, vor noch schwächeren bekommt sie Fäuste, vor noch schwächeren wird sie schamhaft und zerschmettert, der sie anzuschauen wagt“.

Wenn Menschen sich nicht mehr hinaussehen, wenn sie ihre Lage aussichtslos empfinden, buchstäblich blind sind vor Sorgen, ist es nicht verwunderlich, dass ihr Zorn wächst. Angst macht kleine Augen. Und wenn das Auge eng ist, wird der Leib finster. Es ist die Aufgabe von Kirche und Kunst, für die zu sorgen, die sich nicht mehr heraus sehen.

Damit das Auge lauter und der ganze Leib licht sein können, darf man weder die Augen nur auf sich selbst richten noch die Augen vor der Wirklichkeit verschließen. Es braucht einen weiten Blick, denn Realität hat viele Facetten. Tragfähige Bilder des Lebens brauchen glaubwürdige Vorbilder der Praxis. Kunst und Kirche können solche Vorbilder bieten.

Große Leuchten halten nicht immer, was sie zu sein versprechen. Bei Künstlern wie bei Menschen in der Kirche lohnt es sich, genau zu eruieren, mit welchem Licht wir es zu tun haben. Nicht jeder Scheinwerfer zeigt Wege auf. Manchmal blendet er nur. Die Show unterscheidet sich von dem, was hinter der Bühne geschieht. Auf das schauen, was man nicht sieht. In Menschen kann Licht aufgehen, wenn sie erleben:

Ich bin gewollt, geliebt, bekomme Chancen. Was Leben betrifft, ist liebevoll leidenschaftliches Eintreten für die Menschenwürde die nötige Voraussetzung, um zwischen Licht und Finsternis zu unterscheiden. „Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden“. Artionale ist umfassend mentales und physisches Anti-Aging.

Susanne Breit-Keßler
Regionalbischöfin


artionale 2014

Zum sechsten Mal veranstaltet die evangelische Kirche in der RegionMünchen die artionale. Unter der Schirmherrschaft von Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler und Oberbürgermeister Dieter Reiter gibt sie vom 1. Oktober bis 5. November derNeuen Musik und der Gegenwartskunst Raum. Alle drei Jahre wird mit dem Kunstprojekt ein Ort geschaffen, an dem Kirche, Theologie und Glaube mit zeitgenössischer Kunst in Dialog treten können.

2014 findet die artionale mit dem Thema „…was du nicht siehst“ statt. 15 Kirchengemeinden und Einrichtungen nehmen teil, stellen Fotografien, Video- und Rauminstallationen in ihren Räumen aus, veranstalten Konzerte mit Neuer Musik oder bieten Führungen an. Zum zweiten Mal gibt es dieses Jahr eine Kinder-artionale, die Kinder und Jugendliche dazu einlädt, sich mit zeitgenössischer Kunst und Musik auseinanderzusetzen.

Herzlichen Dank möchte ich an dieser Stellen allen sagen, die zum Erfolg der artionale beitragen haben, den Künstlerinnen und Künstlern, dem Organisationsteam, den Beteiligten in Gemeinden und Einrichtungen und den Sponsoren und Förderern, ohne die das ehrgeizige Projekt nicht stattfinden könnte.

Wir laden Sie herzlich ein, die Ausstellungen, Konzerte, Kunstgottesdienste und Diskussionsrunden, die während der Zeit in evangelischen Kirchen und Einrichtungen stattfinden, zu besuchen.


Barbara Kittelberger
Stadtdekanin